Eine Kritik:
Das ERSTE, was stets angemerkt wird, ist: Das sind ja vier! Stimmt. Vier (4) Männer. Gereiften Alters. In Anzügen, die schon bessere Tage gesehen haben. Mit Instrumenten, die schön klingen, obwohl sie nicht immer schön aussehen.
Das ZWEITE: Die gibt es schon seit 1987. Stimmt auch. Aber angeschwollen auf das Vierertrio sind sie erst 1989, im Jahr der deutschen Wiedervereinigung. Die DDR verschwand, der Name Theaitetos Trio blieb. Was auch immer er bedeuten mag.
Das DRITTE: Gibt es Tonträger? Bisher lautete darauf die Antwort stets: Nein.
Was gar nicht stimmt: Es gibt eine Unzahl von Tondokumenten im Archiv des Theaitetos Trios, mitgeschnitten während unzähliger Auftritte auf Theaterbühnen der Republik. Sie wurden sortiert, neu sortiert, abgelegt, wieder gefunden, erstaunt belauscht, neu weggeräumt. Weil das Programm nicht dokumentierbar schien, auf welchem Speichermedium auch immer.
Und nun gibt es diese LP. Kunstlieder. Eine Art Hörspiel. Geräusche. Die darauf zu hörenden Geschichten sind mehr als Musik, mehr als Theater, mehr als Kabarett. In den Programmen des Theaitetos Trios wurden schon immer Texte anderer Autoren verarbeitet, immer mit großem Respekt, aber auch mit der großen Lust, sie als Material für absurde, skurrile Szenen in neue Zusammenhänge zu stellen. Die Gleichberichtigung aller Materialien ist, wie Kurt Schwitters gefordert hat, dabei die oberste Maxime. Bismarckhering, Textsplitter, Alteisen: Alles wird zu Musik. Irgendwann stellte zum Beispiel Bernd Kortenkamp fest, dass auch althellenistische philosophische Texte helles Entzücken im Publikum erzeugen können. Also kam Plato in’s Programm. Dann die Vorsokratiker oder noch später und aus anderen Gründen Heisenberg mit seiner präzisen Unschärfe. Alles in der richtigen Relation.
Und da sind wir beim Thema. Die Arbeitsweise des Theaitetos Trio zeichnet sich durch ebendiese Päzision im Unscharfen aus. Alles scheint leicht und improvisiert zu sein, ist aber das Ergebnis konzentriertester Probenarbeit. Diese Art der musikalischen Sabotage findet meine äußerste Zustimmung. Als Kritiker habe ich mich selten mal verneigt, vor den vier für immer jung gebliebenen Herren des Theaitetos Trio schon. Es lässt sich schwer beschreiben. Das Theaitetos Trio sollte man auf einer Bühne erleben. Und auf dieser LP.
Dr. Frank Biermann